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Drei Dinge, die ich von einem Designer gelernt habe

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Vor kurzem hatte ich das Vergnügen mit Giovanni Pagnotta zu arbeiten. Giovanni ist nicht nur eine supernette Person, sondern auch ein besonders begabter Designer. Er entwirft Tische, Stühle and und andere Dinge, die ich nur zu gerne in meinem Büro stehen haben möchte! Wenn Design Geschmacksfrage ist, hat Giovanni zumindestens meinen Geschmack wie mit einem Hammer getroffen.

Derzeit betreibt er eine Kickstarter-Kampagne für eine aussergewöhnliches Projekt. Er gestaltet einen 3d-gedruckten Titan-Stift. Der Stift sieht toll aus. Und ich musste zurück an unsere Zusammenarbeit denken.

Die Arbeit war intensiv. Es war ganz anders als alles, was ich vorher erfahren hatte.

Monate, nach dem das Projekt beendet wurde, bin ich immer noch davon beeindruckt. Es hat mich nachhaltig geprägt. Giovanni war mehr für mich als ein Kunde. Er war auch eine Art Lehrer. Ich möchte meine drei größten Take-Aways mit Ihnen teilen.

Pagnottas P22

(Giovanni Pagnottas P22 Projekt, derzeit auf Kickstarter)

1. Spezifikationen können uns blockieren

Als ich Giovanni zum ersten Mal traf, war er voller Ideen und hatte eine Vision. Ich sagte ihm, er soll mir eine Spezifikation schreiben. Er schickte mir eine PowerPoint-Präsentation. Ich habe eine Idee davon bekommen, was er wollte. Aber mein Bauchgeühl schrie: PowerPoint? Das ist nicht genug! Aber dann habe ich es mir anders überlegt. Ich verstand, was er wollte. Brauchte ich wirklich mehr?

Es ist der sichere Weg, Kunden zu zwingen Spezifikationen zu schreiben. Eine Spec beschreibt exakt was man tun soll. Ich fühlte aber, dass das für dieses Projekt nicht richtig war. Und dann begann ich zu programmieren, was ich bislang verstanden hatte. Ich zeigte ihm meine Ergebnisse möglichst früh, und dann machten wir von dort weiter.

In den folgenden Wochen trafen wir uns auf Skype so oft wir konnten. Ich programmierte, zeigte ihm das Ergebnis, und er gab mir Feedback. Giovanne erklärt mir am “lebenden” Beispiel, welche Elemente justiert werden mussten und welche nicht. Die Dinge begannen langsam richtig gut auszusehen.

Spezifikationen sind Mathe. Man kann das Ausmaß des Projekts berechnen, aber auch das eigene Budget. Ich habe mich natürlich total mit den Stunden für dieses Projekt verschätzt, ungefähr um den Faktor vier. Mit einer Spezifikation legt man sich selbst auf ein vorhersehbares Endergebnis fest. Aber eine Spezifikation hätte niemals die Vision von Giovanni beschreiben können. Er wußte zwar was er wollte, aber er war einfach kein Autor. Eine Spezifikation hätte ihn in die Rolle eines Autors gedränkt, obwohl er das nun mal nicht ist.

2. Design kann so agil sein wie Code

Ich zeigte meine Ergebnisse früh und Giovanni zeigte mir was falsch war. Spezifikationen waren hier nicht notwendig, denn ich folgte seinem strukturierten Pfad um das visuelle zu entwickeln. Manchmal fühlte ich aber auch, das irgendwas nicht gut aussah.

Verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin natürlich kein Designer. Ich habe davon keine Ahnung. Aber es gibt nun mal ein paar technische Erwartungen an eine Webseite, die normal-sterbliche (wie ich) haben. Ich sagte ihm, was ich erwartete.

Ich war überrascht, denn er überdachte seine Entscheidungen in solchen Fällen. Er sagte etwas wie “darüber muss ich erst nachdenken”. Dann zog er sich in seine “Höhle” zurück (es war nicht wirklich eine Höhle, aber ich stelle mir sein Büro immer als irgendeine Art Höhle vor). Letztlich kam er wieder heraus und zeigte mir etwas, was mir dann normalerweise die Kinnlade aufklappen lies.

Wenn Sie denken, dass Designer voller Ego sind, dann habe ich nun zumindest eine Erfahrung gemacht die diese pauschale Aussage Lügen strafen. Wie ein guter Programmierer, überarbeitete Giovanni sein Design immer und immer wieder, bis es gut war. Genauso, wie wir IT-Typen das mit Refactorings und Peer-Reviews machen.

Und noch einmal: eine Spezifikation hätte eine Menge unserer Kommunikation zerstört. Möglicherweise hätte ich dann einige “Change Requests” bekommen. Aber letztlich wären wir alle unglücklich gewesen.

Design kann ein Prozess sein, und ist nicht notwendigerweise ein fixer Zeitpunkt.

Pagnottas P22

3. Abmessungen

Eines Tages erzählte mir Giovanni “minimalistisches Design wäre das Schwerste”. Und er sagte, die Abmessungen und Dimensionen würden am meisten von allem zählen.

Das ist wahr. Wenn ich ihm einmal meinen Bildschirm zeigte, sagte er das eine Element sollte ein paar Pixel nach links wandern. Ein paar Pixel? Ich machte das, und es fühlte sich gut an. Ich konnte “besser atmen”, falls Sie verstehen, was ich meine.

Ich habe dann eine Chrome-Erweiterung gestartet, die wie ein Lineal auf dem Bildschirm arbeitet. Mathematisch gesehen war ich richtig gewesen. Aber es fühlte sich nunmal trotzdem falsch an. Mein Sinne sagten, Giovanni lag richtig.

Normalerweise glaube ich der Mathematik. Aber wen juckt das, wenn das Bauchgefühl immer sagt es ist falsch?

Giovanni ist eine unglaublich talentierte Person, wenn es darum geht, solche Dinge zu sehen. Ich muss leider auf Mathe zurückgreifen, denn ich sehe das nicht. Das ist vermutlich der Grund, warum Leute wie ich Leute wie ihn brauchen. Mathe ist halt nicht alles.

Zusammenfasssend

Dieser Ansatz empfiehlt sich natürlich nicht mit vielen Leuten. Ich denke, nur wenige Menschen sind so begabt wie Giovanni Pagnotta. Er konnte mir exakte Anweisungen geben, was gemacht werden musste. Und auch, wann ich es machen musste. Er folgte einer Struktur der Manipulationen, die zum Erfolg führte. Systematisch designen - wer kann das schon?

In meinem frühen Entwicklertagen arbeitete ich oft mit Leuten, die sich selbst “Geschäftsmann” oder “Designer” tituliert haben. Mit den meisten hätte dieser Ansatz zu einer Katastrophe geführt. In diesem Fall jedoch war ich sehr froh, nicht bei meinen üblichen Verfahrensweisen zu bleiben. Ich habe eine Menge gelernt. Dank Giovanni verstehe ich nun einiges über Design besser.

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Tags: #ux #design #process #methodology #agile

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